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„Freiheit und Verantwortung“

gesendet am 25. März 2012 von Dr. Hans Frisch
„Freiheit und Verantwortung“ 

Vor sechs Wochen hatten wir hingeschaut auf unseren „Noch-Bundespräsidenten“, er musste gehen, denn nach dem Auftritt der Staatsanwaltschaft blieb ihm keine andere Wahl. Die Art der erhobenen (und begründeten) Vorwürfe zwingt zur juristischen Klärung. Auch ein offenes Bekenntnis hätte ihn vor den Ermittlungen nicht geschützt. Das erklärt vielleicht sein Taktieren. Bis zum Urteil gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung, die allerdings gegen allgemeine Vorverurteilungen nicht schützt. Wir wollen uns daran nicht beteiligen.

Das große Thema des neuen Bundespräsidenten ist „Freiheit und Verantwortung“

Nun haben wir einen neuen Bundespräsidenten - und auch an den Versuchen einer „Vor-Beurteilung“ wollen wir nicht teilnehmen. „Freiheit und Verantwortung“ lautet sein Generalthema - das lässt aufhorchen. Verständlich ist dieser Schwerpunkt für einen Mann, der als Pfarrer in der DDR Verantwortung für seine Gemeinde hatte, bei staatlicher Einschränkung der Freiheit - und der sich am Prozess der Befreiung verantwortlich beteiligte.

Wir waren während dieser Zeit schon 30 Jahre im Westen - „geflohen“, um unsere drei Kinder nicht der damals angekündigten sozialistischen Ganztagsschule auszuliefern. Denn, dass die Mauer kommt, das war uns völlig klar. Wir kannten den „freien Westen“. Wir lebten in Berlin, und da waren die Sektorengrenzen damals noch offen. Doch kam uns der Stolz der Westberliner auf ihre Freiheit etwas so vor, wie der Stolz der Spanier auf ihr schönes Wetter. Eine solche Freiheit kann man genießen, kann sie nutzen und ausnutzen, kann sie auch missbrauchen - und wer aus dem Osten kommt, dessen Blick ist dafür sensibilisiert, besonders, wenn er den geschichtlichen Umbruch so hautnah miterlebt hat wie Joachim Gauck.

Das Thema "Freiheit" ist nicht neu

Das Thema Freiheit ist alt, viel älter als die deutsche Geschichte, eigentlich so alt wie die Menschheit.

Unsere Enkel sagen oft: „Der Opa kann anfangen wo er will, er landet immer bei der Schöpfungsgeschichte und bei Jesus.“ Hier ist das leicht! Das, was die Kirche als „Sündenfall“ bezeichnet hat (und gründlich missbrauchte), das kann man lesen als den Anbruch der Freiheit, auch als „Ausbruch“ in die Freiheit. Was für eine Geschichte!

Paradiesisch lebte der Mensch, unschuldig, ohne Wissen um Gut und Böse, frei von Scham, eingebunden und eingebettet in sein natürliches Sein. Doch da war ein Verbot, eine Grenze, eine „Instinkthemmung“ könnten wir sagen – „Von dem Baum der Erkenntnis sollst du nicht essen.“

„Kein Problem“ wirst Du denken, „es gibt ja jede Menge Bäume mit schönen süßen Früchten“. Doch sei ehrlich, wie lange würde ein solcher Baum unberührt bleiben? Es ist die Frau, deren Appetit geweckt wird (wahrscheinlich wäre Adam etwas später auch darauf gekommen). Sie greift über die Grenze ihrer Hemmung hinaus, sie nimmt sich die Freiheit zu testen - und die Todesdrohung erweist sich als leere Drohung. Sie gibt ihrem Partner davon, auch der stirbt nicht!

Es ist wie damals das erste Loch im Draht des Grenzzaunes zwischen Ungarn und Österreich - der Weg in die Freiheit ist nicht zu stoppen, bis auch die Mauer in Berlin sich öffnete. Welche Instinkthemmung könnte diese Individuen noch zurückhalten? Sie und ihr Nachkommen? Schon in der ersten Generation geschieht der Brudermord – der erste von unendlich vielen.

Doch so weit sind wir in der Geschichte noch nicht. Die erste Folge ihrer Grenzüberschreitung in die Freiheit ist die „Ausgrenzung“.
Statt natürlicher Unschuld empfinden sie Scham, eine Reaktion, die in der Natur nicht vorkommt. Und dann: Gott geht in der Abendkühle im Garten spazieren - und die Beiden haben sich versteckt mit ihren Schurzen aus Feigenblättern.

Freiheit ist das Grundthema des Menschseins

„Adam wo bist du?“ ruft Gott. Es ist ein Ruf, der Antwort verlangt, ein Ruf in die Verantwortung. Da wäre einiges zu erzählen, doch es geht jetzt um „Freiheit und Verantwortung“. Wenn ich die Geschichte ernst nehme, dann muss ich diesen Schritt aus der Unschuld innerhalb der Naturgrenzen in die verantwortliche Freiheit als Beginn des Menschseins deuten. Auch Gott sagt danach: „Nun ist der Mensch geworden wie wir“, so, als wäre jetzt das Schöpfungsziel erreicht: „Wir wollen Menschen machen nach unserem Bild.“ Ja, der Mensch hat seine Unschuld verloren - aber Freiheit ohne Schuld ist eine Illusion, und wer nicht schuldfähig ist, dessen Freiheit muss begrenzt werden.

Musik

Auch Freiheit hat seinen Preis

„Freiheit und Verantwortung“, dieses Thema erwartet uns mit dem neuen Bundespräsidenten - und wir haben gesehen, es ist das Grundthema des Menschseins. Unser Nachdenken und Nachsinnen über die Ursprungsgeschichte der Menschwerdung in der Bibel brachte uns zu der unlösbaren Verbindung von Freiheit und Schuld. Von hier aus gelesen ist die Bibel die Geschichte Gottes mit dem freien Menschen - eine anstrengende Geschichte, da sie notgedrungen eine Geschichte mit den schuldig werdenden Menschen ist.

Wer mich kennt, der merkt: Hier wird die Weiche gestellt auf Jesus Christus. Doch zunächst noch einmal an den Anfang: Der Schritt in die Freiheit war zugleich der Schritt, heraus aus der Geborgenheit der Natur - heraus aus dem Paradies.

Gestorben sind sie nicht, aber sie haben erkannt, dass sie sterben werden. Deshalb muss das Leben gesichert werden, und das bedeutet „Arbeit, im Schweiße des Angesichts“. Deshalb „muss man vom Leben etwas haben“. Auch die Partnerschaft von Mann und Frau ist nicht mehr die einfache Sexualbeziehung wie im Tierreich.

Die natürlichen Antriebe sind geblieben, Machttrieb, Selbsterhaltungstrieb, Sexualtrieb - doch die Steuerung ist Sache des freien Menschen, der vom Baum der Erkenntnis gegessen hat und weiß um Gut und Böse. Als soziales Wesen muss der Mensch einen Platz in der Gemeinschaft finden, erringen und erhalten - was jede Menge Konflikte mit sich bringt, aber auch große Chancen eröffnet.

Aus diesem Material ist die Menschheitsgeschichte gewachsen, und das größte Geschenk, das der Schöpfer den Menschen mitgegeben hat, ist die Freiheit - auch die Freiheit zu Gut und Böse. Über die Risiken und Nebenwirkungen war er sich wohl völlig im Klaren. Nach einer jüdischen Legende wurde er vor der Erschaffung des Menschen dringend gewarnt von einem Erzengel, dem späteren Teufel. Es wird da erzählt von dem Kampf Michaels gegen diesen Engel und seinen Sturz auf die Erde – es war der Kampf für die Freiheit des Menschen!

Oft, viel zu oft, musste Gott miterleben, wie Freiheit ohne Verantwortung in Schuld und ins Verderben führt, Schritt für Schritt, immer tiefer – der Teufel kann triumphierend sagen: „Ich habe dich gewarnt“, wenn die Schreckensnachrichten über den unmenschlichen Menschen nicht abreißen. Doch Gott bleibt bei der Freiheit, denn er liebt den Menschen - besser: Er liebt uns Menschen - und Liebe kann nur in Freiheit entstehen und leben.

Auf vielfältige Weise und in allen Sprachen ruft er den Menschen in die Verantwortung und zu sich, er geht den Verirrten nach, er bietet ihnen Vergebung an und einen Neubeginn - deshalb ist die Menschheitsgeschichte zugleich auch Religionsgeschichte. Wer die Bibel kennt, der erlebt mit, wie diese Geschichte hin geht auf die Geschichte Israels, die jüdische Geschichte, die Biografie von Jesus bis zur endgültigen Offenbarung am Kreuz.

Musik

„Wen der Sohn freigemacht, der ist recht frei“ - wir würden übersetzen: „der ist wirklich frei“ - so sagt Jesus von sich und dem, was durch ihn geschieht. Ein solches Angebot sollte man prüfen, vor allem, wenn es nur wenig Alternativen gibt.

"Freiheit" wovon?

Bei „Freiheit“ ist meist der erste Gedanke „wovon?“ Zu Jesu Zeiten war da klar die Erwartung: „Befreiung von den Römern“, und eigentlich hat diese Erwartung ihm den Tod gebracht - denn, weil diese militante Messiaserwartung Aufstand bedeutete, und Aufstand Katastrophe, deshalb musste der, mit dem diese Messiashoffnung verbunden war, beseitigt werden.

Weder das Volk noch die Priester verstanden, welche Freiheit Jesus meinte. Auch die Jünger waren ratlos nach dem Tod am Kreuz. „Wir aber glaubten, er würde Israel erlösen“ sagten die beiden, die auf dem Heimweg nach Emmaus dem Auferstandenen begegneten und ihn nicht erkannten.

Nein, die Freiheit in Jesus ist nicht politische Freiheit, auch nicht Freiheit durch Wohlstand oder Freiheit vom Leiden. In der Anfangsgeschichte konnten wir sehen, wie durch Schuld die Beziehung gestört wurde – die Beziehung zu sich selbst (sie schämten sich!), die Beziehung zueinander (Adam projiziert seine Schuld auf die Frau) und die Beziehung zu Gott – die versteckten sich. Die Heilung der gestörten (oder zerstörten) Beziehung - das wäre Befreiung!

Ich hoffe, jeder von uns hat das schon erlebt, dass seine gestörte Beziehung wieder heil wurde. Weil die Störung meist schuldhaft geschieht, ist die Heilung meist nur durch Vergebung möglich.
Das klingt einfacher als es ist, denn ohne Erkennen und Bekennen der Schuld ist Vergebung nicht möglich – und da geht es uns heute noch so wie Adam damals - wir projizieren unsere Schuld auf den anderen, „die Frau ist schuld, dass ich die verbotene Frucht aß“.

Das Bekennen von Schuld fällt schwer, selbst wenn nicht der Staatsanwalt im Hintergrund steht.
Da erreicht uns die Botschaft: „Die höchste Instanz, vor der wir uns alle zu verantworten haben, die Kleinen und die Großen, die Ohnmächtigen und die Mächtigen, die sichert uns Vergebung zu, bedingungslos - wenn wir vertrauen und bekennen.“ Vor dieser Instanz brauchen wir keinen Anwalt, denn Jesus ist mit seinem Leben und Tod der Garant für uns. Wer die in Jesus Christus angebotene Gnade ablehnt und Gerechtigkeit fordert, dem wird Gerechtigkeit widerfahren.

Gott vergibt nicht nur uns die Schuld, sondern auch dem, der an uns schuldig wurde. So kann unsere Beziehung heil werden, die Beziehung zu uns selbst, die Beziehung zum Nächsten und die zu Gott.
Wer das erlebt hat, der kennt die Freiheit, die Jesus verspricht – und in dieser Freiheit kann er Verantwortung annehmen - nicht nur für sich, sondern auch für den anderen. Ich vermute, dass der Pfarrer Gauck, auch als Bundespräsident dies mit im Sinn hat, wenn er von „Freiheit und Verantwortung“ redet.

Damit lässt sich zwar keine Politik machen – aber Jesus war auch kein politischer Messias, und AREF ist kein politischer Sender. Einer Gemeinschaft können Menschen mit einem solchen Hintergrund durchaus gut tun.