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Macht und Demut in der Gemeinde gesendet am 15.02.2004 von Jan Henning Mehlfeldt
 

Ich finde, dieses ist ein schwieriges Thema mit vielen Aspekten und verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten. Es ist aber auch ein heikles Thema, denn was kann man sagen, kritisieren oder anmahnen, ohne alle Leitungspersonen in unseren Gemeinden in eine "Ecke" zu stellen?

Um euch die Sichtweise von Jesus zu Machtfragen zu verdeutlichen, möchte ich eine kurze Geschichte aus dem Markus-Evangelium vorlesen.

"Und sie kamen nach Kapernaum und als sie im Haus waren, fragte Jesus seine Jünger: "Worüber habt ihr euch denn unterwegs gestritten ?"
Sie schwiegen aber, denn sie hatten sich gestritten wer von ihnen wohl der Bedeutendste wäre. Da setze sich Jesus hin, rief alle zwölf zu sich und sagte:" wer der Erste sein will, der muss sich allen anderen unterordnen und ihnen dienen."

Wenn es um das Thema Macht in unseren Gemeinden geht, so sind wir häufig zwiegespalten. Ist die Machtverteilung zwischen Gott und den Menschen noch klar verteilt und wird auch eindeutig artikuliert wie in dem Satz:

"Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden..."

so ist die Machtfrage zwischen den Menschen immer etwas problematisch. Dieses war damals bei den Jüngern so und ist es bis heute geblieben.

Das Problem ist, dass Jesus mit seinen Aussagen über die Macht so ziemlich alles auf den Kopf gestellt hat, was bis heute in unserer Gesellschaft als festgefügtes Prinzip gilt, nämlich das Recht des Stärkeren.

Kriege wurden und werden geführt mit dem Recht des Stärkeren,
Gesetze werden erlassen oder verworfen, mit dem Recht der Stärkeren,
In den Chefetagen und Börsen dieser Welt regiert das Recht des Stärkeren.
Und selbst in unseren Familien wird nicht immer das gemeinsame Miteinander gelebt, sondern es werden Abhängikeiten geschaffen, damit auch hier das Prinzip des Stärkeren funktioniert..

Unsere ganze Gesellschaft baut auf diesem Recht auf. Es ist immer klar wo "Oben" und wo "Unten" ist.

Und unser soziales Netz, das diesem Prinzip entgegentreten soll, wird, kaum dass das Geld ein wenig knapper wird, immer löchriger und mehr und mehr Menschen fallen durch die größer gewebten Maschen.

Das Prinzip ist so festgefügt, dass, wenn es einmal in einer Machtfrage zu einer Pattsituation kommt, wie z.Zt. zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat, sofort eine Situation des Stillstandes entsteht.

Es wird plötzlich gar nichts mehr entschieden. - Es kann plötzlich gar nichts mehr entschieden werden. -

Unsere Gesellschaft braucht anscheinend klare Machtstrukturen auf allen Ebenen - Auf allen Ebenen ?
Also auch in unseren Kirchen ?

( Musik )

2. Teil

In der Frage nach der Macht in unseren Gemeinden, in der Frage von "Oben" und "Unten" bringt Jesus mal wieder alles kräftig durcheinander: Wie schon mit dem Satz : "Die Ersten werden die letzen sein und die Letzen die ersten", stellt er sich radikal gegen das Prinzip des Stärkeren.

Nicht die Reichen und Angesehenen stehen bei Ihm im Fokus, sondern die Armen, die Ausgestoßenen und Schwachen. Nicht den Gewinnern, sondern den Verlierern spricht er Mut zu, für sie ist er auf diese Welt gekommen.

Aber wie soll man mit solch einem radikalen Ansatz funktionierende, klare Strukturen in unseren Kirchen aufbauen?

Müssen wir nicht auch in unseren Gemeinden auf das in unserer Gesellschaft bewährte Prinzip des Stärkeren umschwenken?

Ist Jesu Botschaft vielleicht doch zu idealistisch und in unsere heutige Zeit einfach nicht zu übertragen???

Gerade in diesen Zeiten, in denen die Mitgliedszahlen in unseren Gemeinden stagnieren, brauchen wir doch Führungskräfte, brauchen wir "Macher", die den Menschen klare Ziele vermitteln, sie aus ihrer Lethargie wecken. Wir brauchen doch starke Persönlichkeiten!

Aber dieses ist kein Widerspruch.

Jesus sagt nicht: "ihr sollt nicht führen", er sagt auch nicht: "ihr sollt nicht leiten und keine Verantwortung übernehmen".

Jesus braucht begabte Leute, die seine Botschaft weiter verbreiten, er braucht Organisatoren, die für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Er braucht Menschen, die andere begeistern können und voranbringen können.

Was Jesus aber nicht braucht, sind Menschen, die Ihren Wunsch nach Einfluss über die Belange der Gemeinde stellen.

Was Jesus nicht braucht, sind Menschen, die nur Aufgaben übernehmen, wenn sie dafür viel Beachtung ernten.

Was Jesus nicht braucht, sind Menschen, die ihre Meinung und Sicht der Dinge für die einzige Wahrheit halten.

Was Jesus nicht braucht, sind Menschen, die zwar gut delegieren können, aber wenn es darum geht, selbst einmal mit Hand anzulegen, viele gute Ausreden finden.

Undankbare Aufgaben übernimmt in unseren Gemeinden heutzutage so gut wie keiner mehr. Und viele fragen nicht danach, was nötig ist, sondern wo man meine Arbeit am allerbesten sieht. Schaut keiner hin, tue ich auch nichts....

Jesus braucht Leute, die dienen. In allen Bereichen, in den Leitungskreisen genauso wie in den Gruppen und Hauskreisen unserer Gemeinden Dienen heißt fragen, zuhören, mit anpacken und für den anderen da sein.

Natürlich muss es Leute geben, die die Richtung vorgeben, natürlich muss es Leute geben, die vor gewissen Entwicklungen warnen und auch vielleicht einmal eingreifen, wenn etwas "aus dem Ruder" zu laufen scheint.

Aber wer tut dieses in welcher Weise ? Es gibt in unserer Gesellschaft zweierlei Arten, wie Macht vergeben und dann ausgeübt wird.

Zum einen wird die Macht verliehen - oftmals nur auf Zeit - Ein Volk oder eine Gruppe stellt sich unter die Führung einzelner Personen. Diese Macht dient dazu, ein komplexes Gebilde zu regieren. Alle Personen oder zumindest eine Mehrheit stellt sich bewusst unter diese Führung und kontrolliert diese. Wird sie nicht in der gewünschten Art ausgeführt, so kann sie auch wieder entzogen werden.

Die andere Art der Macht ist die selbst Erworbene. Durch permanentes Hinwirken auf mehr Einfluss, durch persönliches Hervorheben des eigenen Engagements, durch Schaffen von Gruppen, die die eigene Position unterstützen, wird der eigene Einflussbereich ausgebaut. Es werden Abhängigkeiten oder Absprachen getroffen, um sich Personen gefügig zu machen. Im schlimmsten Fall wir ein ausgemachter Gegner mit allen Mitteln der psychologischen Kriegführung bekämpft.

Diese selbst erworbene Macht entzieht sich oftmals jeglicher Kontrolle. Diese Macht führt bei den Beteiligten zu Frust und Resignation.

( Musik )

3. Teil

Die Frage nach der Macht - wer hat wem was zu sagen - hatte auch die Jünger um Jesus umgetrieben. Wer war von ihnen der Größte, der Wichtigste?

Warum diese Frage unter ihnen gestellt wurde, wissen wir nicht.
War es bloße Eitelkeit, oder ging es um wichtige Entscheidungen, die getroffen werden mussten?
Was wir jedoch wissen, ist, dass es unter ihnen regelrecht Zank über diese Frage gab.

Offenen Streit gibt es nicht immer gleich in unseren Gemeinden.
Eher ein Zurückziehen der Mitarbeiter, wenn Führung und Leitung nicht als Dienen gelebt werden.

Jesus ist revolutionär, er stellt das "Oben und "Unten" auf den Kopf.
Er, Gottes Sohn , wäscht den Jüngern die Füße.
Er, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden hat, geht für unsere Sünden ans Kreuz.

Gott stellt unsere Werte auf den Kopf. Nicht der König ist wichtig, sondern der Diener, nicht der Erste auf Erden wird auch der Erste im Himmel sein, sondern der Letzte.

Was heißt das für die Leitungen in unseren Gemeinden?

- Sie dürfen bei ihren Entscheidungen nicht "über Leichen" gehen.
- Sie dürfen ihr Wirken nicht als Selbstzweck, sondern als Dienst am anderen sehen.
- Sie müssen Gottes Wort als oberste Autorität anerkennen.
- Sie dürfen den Niedrigen nicht gering achten.

Nur dann werden wir auch weiterhin lebendige Gemeinden haben, werden sich Menschen zur Mitarbeit motiviert fühlen. Wird man uns Christen abspüren, dass Gott eine besondere Botschaft für diese Welt bereit hält.

Zwei Aussagen aus der Bibel sollen diese Gedanken zusammenfassen.
Die eine ist:
"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst."
Wenn wir nach diesem Satz handeln, dürfte in Sachen "Macht" bei uns in den Gemeinden eigentlich gar nichts mehr schief laufen.

Und die andere:
"Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden."
Das soll uns eine Mahnung sein, dass das Recht des Stärkeren noch niemals Gottes Prinzip war.

Jan Henning Mehlfeldt