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Totensonntag 2010

gesendet am 21.11.2010 von Dr. Hans Frisch
 

Allerheiligen, als Erinnerung an alle Märtyrer, Allerseelen, Tag des Gedenkens an unsere Toten in katholischen Gegenden, Volkstrauertag, Gedenktag der Kriegsopfer und heute Totensonntag, auch im evangelischen Nürnberger Land - da ist der November schon ein ernster Monat. Doch die Adventzeit bringt ja wieder Licht!

"Muss das sein?" wird mancher fragen, "der Tod kommt sowieso, und jetzt leben wir ja!" Aber es geht ja gar nicht um deinen Tod (oder um meinen), wir gedenken derer, die mit uns, vielleicht auch für uns gelebt haben - und wenn man sieht, welcher Aufwand den letzten Abschied oft begleitet, was in die letzte Ruhestätte investiert wird, dann können wir schon daran erkennen, welche Bedeutung der Tod für die Menschen hat. Und das nicht erst in unserer Zeit. Die ältesten Kulturzeugnisse sind Gräber und Grabbeigaben - und da war in den alten Zeiten der Aufwand oft gewaltig, bei denen die es sich leisten konnten.

Pyramiden in Ägypten, ein Kaisergrab in China mit einer ganzen Armee lebensgroßer Terrakottakrieger, uralte Hügelgräber und Hünengräber. Einige dieser Grabmonumente gehören zu den antiken Weltwundern. Ihre Planung und ihr Bau begann lange vor dem Tod, und es war nicht die letzte Ruhestätte, die da eingeweiht wurde oder ein Denkmal zur Erinnerung an den Verstorbenen, es ging um das Leben jenseits des Todes!

Speisen, Gerätschaften, Waffen, Schmuck, manchmal auch Pferde und Wagen und eine gesamte Dienerschaft begleiteten den Gestorbenen in sein neues Leben. Sicher, das waren nur wenige Privilegierte, Erfolgreiche, Mächtige, die es sich leisten konnten - wahrscheinlich war aber die Zuversicht auf ein Leben nach dem Tod allgemein, und die hat sich ja lange gehalten in der Menschheit. Hier dürfte der Ursprung der Entwicklung von Religion liegen.

Als wir unseren kleinen Enkeln erzählten von der Paradiesgeschichte, dem Baum der Erkenntnis und der Drohung: "Wenn du davon isst, musst du sterben!" und davon, dass Adam in der Geschichte noch 900 Jahren lebt, da meinte Lukas: "Sterben - das ist ja noch nicht tot sein."

Nun wäre ein 900 Jahre währendes Sterben ja schon etwas Seltsames - doch, wenn wir sehen könnten, wie und an die vielen Stellen unseres Lebens das Wissen um unsere Sterblichkeit, um unseren sicheren Tod, unser Leben beeinflusst, wir würden erschrecken. "Ich muss vom Leben doch etwas haben!" - mancher teure Luxus, manche gewagte Aktion, manche moralisch zweifelhafte Entscheidung wurde davon bestimmt. Und der Wunsch, das Ende möglichst weit hinauszuschieben, ist wahrscheinlich die stärkste Ursache für explodierende Kosten im Gesundheitswesen.

Musik

Totsicher werden wir sterben - alle wissen wir es, ständig werden wir daran erinnert durch Todesnachrichten, Todesanzeigen, Grabsteine und Erinnerungstafeln - Gott sei Dank, können wir es immer wieder vergessen und weiterleben. Heute ist aber die Erinnerung Thema des Sonntags - Erinnerung an unsere Toten.

"Er lebt weiter in unserer Erinnerung", "Solange ein Mensch geliebt wird, lebt er weiter" und ähnliche Sätze erscheinen uns glaubhaft - doch nur im Glauben haben sie ihren Sinn. Es könnte ja sein, dass wir damit nur die brutale Grenze des Todes etwas weicher, etwas durchlässiger machen, um unseretwillen.

Die Erkenntnis könnte uns klarmachen, dass Liebe gelebt werden muss - sie lässt sich nicht aufschieben, und irgendwann ist es zu spät. Dann wäre heute auch ein Tag für die Trauer über nicht gelebte Liebe - eine Trauer, die uns wach machen kann für noch mögliche Liebe in unserem Leben. Sollten unsere Toten wirklich irgendwie teilhaben an unserem Sein - darüber würden sie sich bestimmt freuen, noch mehr als über neue Blumen am Grab.

Wenn dir jetzt einer einfällt, der sich über ein Zeichen deiner Zuneigung sehr freuen würde, oder es sehr nötig hat, was hindert dich?
Wenn nicht, dann lass dich ermutigen, noch offener, freier und tapferer deine Zuneigung und deine Liebe zu zeigen.

Albert Schweitzer hat gesagt: "Viel Kälte ist unter den Menschen, weil wir nicht wagen, uns so herzlich zu geben wie wir sind."

Der vorige Sonntag hat uns gezeigt, wie hell und warm der ernste November noch sein kann; wenn wir Licht und Wärme ausstrahlen, dann bekommen wir selbst auch Anteil daran.
So könnte auch der Totensonntag zur Klimaverbesserung in unserem Leben und in unserer Umgebung beitragen. Es wäre eine gute Vorbereitung auf die Advent- und Weihnachtszeit. Gute Vorsätze können wir bis Neujahr verschieben.

Musik

Der Blick in die Menschheitsgeschichte kann uns zeigen, welche Bedeutung das Wissen um die Sterblichkeit, um den Tod hat. Ein Blick auf unseren Tod könnte uns helfen, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. In der Zuversicht auf ein Leben nach dem Tod hatten wir den Ursprung der Entwicklung von Religion vermutet. Die Meinung, religiöser Glaube ist entstanden, weil der Mensch ihn braucht, um über die Grenze des Todes hinaus denken, hoffen und glauben zu können - diese Meinung ist einleuchtend.

Wenn kein Gott ist, dann wäre das die überzeugendste Erklärung. Wenn Gott ist, dann könnten wir von ihm nur etwas wissen, wenn er sich uns offenbaren würde, gewissermaßen in menschlicher Sprache. Sinnvoll wäre so eine Offenbarung aber nur, wenn wir darauf antworten könnten, wenn eine Beziehung entstehen würde, kurz: wenn da Liebe im Spiel wäre.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte und der Menschheitsentwicklung würde eine solche Offenbarung sich mit entwickeln, hin zu einer letztgültigen Offenbarung - das wäre, in einer personalen Begegnung.

"Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn", so hat Paulus das ausgedrückt, was mit der Person Jesus geschehen ist.

"So sehr hat Gott die Welt geliebt" sagte Jesus von seiner Sendung. Er hat sie mit seinem Tod besiegelt, und in seiner Auferweckung hat Gott sein Ja dazu gesagt, in einer Weise, die damals die Jünger überzeugt hat und seitdem immer wieder Menschen überzeugt.

Wenn Gott sich nun vollständig offenbart hat, dann kommt es nur noch auf unserer Antwort an - dass wir sein Angebot annehmen. Dieses Liebesangebot kommt aus der Transzendenz, deshalb ist der Tod keine Grenze, denn in dieser Liebe leben wir weiter. So ist es sinnvoll, dass die Kirche den Totensonntag in Ewigkeitssonntag umbenannt hat.

Das alles hatte der deutsche Kaiser wohl nicht im Blick, als er diesen Feiertag einführte, damals nach dem deutsch-französischen Krieg und nach dem Tod der geliebten Königin Luise. Als Anlass über unsere Toten und auch über unseren Tod nachzusinnen ist es aber ein passender Tag. Gut, wenn dabei vor unseren Blick die Ewigkeit sich öffnet.