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Karfreitag

gesendet am 25. März 2016 von Dr. Hans Frisch
 

Das wahrscheinlich älteste religiöse Symbol ist das Kreuz, doch die Kreuzigung ist die furchtbarste Art der Hinrichtung.

Mit den Römern kam die Hinrichtung durch Kreuzigung nach Judäa

Am Weg der Menschheit stehen zahllose Kreuze - Alexander Große ließ nach der Eroberung von Tyros (im Libanon) 2000 der Besiegten kreuzigen, auch die Perser kreuzigten und die Römer. Nach der Niederschlagung des Spartakusaufstands säumten 6000 gekreuzigte Sklaven die Via Appia von Rom nach Capua.

Bei der Belagerung Jerusalems im Jahr 70 wurden die meisten der vor dem Hunger aus der Stadt Fliehenden von den römischen Soldaten gefoltert und gekreuzigt - mehr als 500 an manchem Tag. Es fehlte bald am Platz für die Kreuze und an Kreuzen für die Leiber. Das war 40 Jahre nach der Kreuzigung Jesu, und er war einer von vielen die damals am Kreuz starben. Doch sein Kreuz ist in bleibender Erinnerung und hat bleibende Wirkung in der Menschheitsgeschichte - durch zwei Jahrtausende.

Die Kreuzigung von Jesus von Nazareth war eine unter vielen

Vor Jahren habe ich in einer Sendung versucht aufzuzeigen, wie aus dem starken alten Symbol Kreuz das Symbol unseres Heils das Kreuz von Golgatha wurde. Es kommen da viele Zufälle so präzis zusammen, dass es schwerfällt, dahinter keine Absicht zu sehen.

Weil es aber um die Offenbarung der Liebe Gottes geht, darf es nicht beweiskräftig sein - die Freiheit dazu Ja oder Nein zu sagen muss bestehen, denn: für die Liebe darf kein Beweis verlangt werden, und auch kein Beweis erbracht werden, weil in beiden Fällen die Freiheit zum Nein aufgehoben würde. Das Ja ist nur im Vertrauen, nur im Glauben wirklich frei. Hier wird die Heiligkeit der Liebe spürbar - und da gilt nur ein Ja oder Nein.

Wahrscheinlich kennen die meisten von uns solche Geschichten, bei denen eine solche Entscheidung zu treffen war - und das sind die Geschichten, die immer wieder erzählt werden.

Die Scheidung der Weltgeschichte in die Zeit vor Christus und nach Christus. akzeptieren wir fast unbewusst, und sagen "vor Christi Geburt" und "nach Christi Geburt". Doch ohne Karfreitag und Ostern wäre der Name "Jesus" allenfalls bei den Juden noch in Gebrauch.

Der wirkliche Geburtstermin von Jesus ist nicht bekannt - wahrscheinlich war er im Jahr 7 vor Christus, denn Herodes der Große lebte noch, und der starb 4 v. Chr. Der Tag der Kreuzigung dürfte im Jahr 32 n. Chr. gewesen sein - am Freitag vor dem Passahfest. In diesem Jahr fiel das Fest auf einen Samstag, also den Sabbat. Weil der Sabbat schon am Abend des Freitags beginnt, mussten alle Vorbereitungen an diesen Rüsttag zum Passah erledigt sein - auch die Verurteilung und Hinrichtung von Jesus - und das war nicht leicht.

Am Sonntag, dem Palmsonntag, war er auf dem Esel in die mit Pilgern überfüllte Stadt eingeritten - bejubelt und begrüßt als Retter, als der verheißene Messias, als König von Israel. Die meisten Pilger kamen, wie Jesus, aus Galiläa - und unter denen waren viele Jesus-Fans. Sie meinten: "Jetzt beginnt der Befreiungskampf gegen die Römer, und Jesus wird unser von Gott gesandter Führer".
Auch in Jerusalem hatten viele ähnliche Erwartungen - die Auferweckung des Lazarus war für sie der Beweis, dass Jesus der Messias, also der Anführer im Kampf ist.
Für die Priester war es ein Albtraum - sie wussten: Aufstand gegen Rom heißt Katastrophe. Doch wie sollten sie es verhindern? "Er muss verhaftet und verurteilt werden" - doch er ist umgeben von kampfbereiten Anhängern. Da werden manche priesterliche Stoßgebete gen Himmel gegangen sein - und sie wurden erhört!

Musik

Ber der Verhaftung Jesu musste verhindert werden, dass es zum Aufstand kommt

In Paris, in London, in Brüssel und in anderen Städten kann das öffentliche Leben heruntergefahren werden bei einem drohenden Terroranschlag - im überfüllten Jerusalem vor dem Passahfest ging das nicht. Auch drohte hier die Katastrophe nicht durch einige Terroristen, sondern durch einen Aufstand der Massen - die eigentlich nur auf das Signal dafür warteten. Und der, welcher das Signal geben sollte, war mittendrin - täglich im Tempel. Ihn ergreifen, dass wäre das Signal gewesen. Es musste heimlich geschehen.
Wenn man wüsste wo Jesus die Nacht verbringt! Der Montag vergeht, auch der Dienstag. Eine Krisensitzung der Priesterschaft am Mittwoch brachte die Lösung, wie ein Gottesgeschenk. Einer der Jünger kam und sagte: "Ich kann euch verraten, wo ihr ihn ohne Aufsehen fassen könnt".

Jesus kannte seine Situation und die Situation der Priester - er kannte auch Judas.
Als er am Donnerstag das Abendmahl hält mit den Jüngern, da ist Judas dabei. Jesus entlarvt ihn als Verräter - und gibt ihm das Stichwort: "Was du tust, das tue bald". Das ist perfekte Regie!
"Lamm Gottes" hatte Johannes der Täufer ganz am Anfang Jesus genannt - nun wird er als Lamm Gottes sterben. Und das soll geschehen, wenn die Passahlämmer im Tempel geschlachtet werden, am Rüsttag zum Passah - also am nächsten Tag, dem Freitag.
Judas verlässt den Raum und geht zu den Priestern. Die sammeln einen Trupp der Tempelpolizei, holen aus der Antoniafestung beim Tempel einige der dort stationierten römischen Offiziere und Soldaten dazu - und Judas führt sie in den Garten Gethsemane, wo Jesus in einem erschütternden Gebetskampf Ja sagt zu seiner Sendung ans Kreuz - für uns.
Hier hätte er noch einfach gehen können - doch er erwartet das Verhaftungskommando, er lässt sich den Kuss des Verrats - den "Judas Kuss" - geben und die Fesseln anlegen.
Das geschieht schon am Karfreitag, denn der neue Tag beginnt mit dem Sonnenuntergang des vergangenen Tages.
Das weitere ist eine Meisterleistung der Regie, und auch das Drehbuch verdient einen Oscar.
Eilig wird der Verhaftete aus dem Kidrontal hinauf in die Stadt geführt vor Hannas, den vorigen Hohen Priester und Schwiegervater des jetzigen, Kaiphas.

Nach jüdischem Recht zum Tode verurteilt

Während Hannas das Verfahren der ersten Instanz durchführt, gewissermaßen als Untersuchungsrichter, versammelt sich der Hohe Rat unter Vorsitz von Kaiphas. Eilig wird der Angeklagte vor dieses höchste heilige Gericht der Juden geführt. Eilig hatte man Zeugen herbeigebracht, die in der Eile nicht instruiert werden konnten. So war es dem Pflichtverteidiger leicht, ihre Aussagen zu entkräften, obwohl Jesus schwieg.

Eigentlich war Jesus frei, doch das durfte nicht sein, denn seine Anhänger hatten sicher von dem Prozess erfahren und warteten auf den Ausgang. Wäre Jesus als freier Mann unter ihnen erschienen, sie hätten es als Himmelszeichen und Signal zum Kampf gedeutet.

Kaiphas steht von seinem Sitz auf, geht in die Mitte des Saals und steht vor dem wegen Sabbatschändung, Abfallpredigt, Zauberei angeklagten Pseudopropheten - lauter todeswürdige Verbrechen. "Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?" fragt er ihn. "Ich bin's" antwortet Jesus - sicher hebräisch: "ani hu", wie Gott von sich redet.

"Ich bin es, der euch aus der Knechtschaft befreit hat" - so wird der Hohepriester in der Passah-Liturgie Gottes Worte zitieren; "Ich bin Er, der heilige, euer Gott" - tönt es aus den Psalmen, die im Tempel gesungen werden, und immer wieder in den Lesungen der Propheten. Und diese beiden Worte sagt der Angeklagte vor dem heiligen Gericht dem Hohen Priester ins Gesicht. Das ist Gotteslästerung - und dafür fordert das Gesetz Gottes zwingend die Todesstrafe.

Die Vollstreckung der Todesstrafe war Sache römischen Besatzung

Das Urteil fällt einstimmig - und eilig wird der Verurteilte umgeben von einer zusammengerufenen Menge tempeltreuer Männer zu Pilatus gebracht, denn die Vollstreckung der Todesstrafe war Sache der Römer.
"Zufällig" hatte Sejanus, der mächtige Chef der Prätorianergarde in Rom dafür gesorgt, dass den Juden die Blutsgerichtsbarkeit entzogen wird. Sie durften Todesurteile fällen, aber die wurden vom Prokurator überprüft und vollstreckt. Das war vor zwei Jahren geschehen, gerade als Jesus öffentlich auftrat. Nun war Sejanus wegen Hochverrat verhaftet und hingerichtet worden, gerade als vor einem halben Jahr die Passionsgeschichte Jesu begann mit seinem Auftritt im Tempel, beim Laubhüttenfest.
Der Kaiser in Rom tobte - alle Sejanusfreunde wurden verhaftet, enteignet, verbannt oder auch hingerichtet, nur Pilatus in Jerusalem kam nicht ins Visier. Er verhielt sich still - doch die Priester wussten um seine Situation - und dass er dadurch erpressbar ist

Musik

Wer sich ohne römische Legitimation zum König macht, wird gekreuzigt, doch Pilatus reagiert anders

Früh am Morgen steht Jesus vor Pilatus - für ihn der Herr über Leben und Tod. Die Anklage formulierten die Priester politisch: "Er hat sich zum König erklärt!" - für römisches Recht ein todeswürdiges Verbrechen. Doch Pilatus reagiert anders als erwartet. "Den will ich sehen!" - denn alle Arten von Verbrechern hatte er schon vor sich gehabt und viele ans Kreuz geschickt - ein König war nicht dabei.
Als Jesus gebracht wird fragt er ihn: "Bist du der König der Juden?" Doch anders als erwartet zeigt dieser Angeklagte keine Angst oder Wut. "Sagst du das von dir aus oder haben die da draußen es über mich gesagt?" Er sagt es in Ruhe mit Würde, "in gleicher Augenhöhe" könnte man sagen - und ich meine, wenn Pilatus einen unter den Juden als Freund hätte wählen sollen, er hätte Jesus genommen. Doch er soll ihn kreuzigen. Er lehnt es ab. "Richtet ihr ihn nach eurem Gesetz!" "Wir dürfen niemand töten" antworten die Priester.

Es wird ein spannender Kampf zwischen dem mächtigen Römer, der Jesus retten möchte, und der jüdischen Priesterschaft, die unbedingt seinen Tod will, um die Katastrophe zu verhindern. Bach hat es in der Matthäuspassion und in der Johannespassion ergreifend dargestellt.
Als die Priester andeuten, wir werden uns an den Kaiser wenden, du "amicus cäsaris", "Freund des Kaisers", dann wird dich das Schicksal eines Sejanusfreundes treffen, denn der hat dir den Statthalterposten und den Ehrentitel besorgt. - Da knickt er ein, denn ihm ist klar: Wenn ich Jesus rette, bin ich verloren.

Als Pilatus diese Worte hörte, führte er Jesus heraus und setzte sich auf den Richterstuhl an der Stätte, die da heißt Steinpflaster, auf Hebräisch Gabbata.
Es war aber am Rüsttag für das Passafest um die sechste Stunde. Und er spricht zu den Juden: Seht, das ist euer König!

Sie schrien aber: Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn! Spricht Pilatus zu ihnen: Soll ich euren König kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König als den Kaiser. Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.

Sie nahmen ihn aber und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.

Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache.

Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. (Johannes 19,13-22)

Das war um die sechste Stunde also mittags, und bis zur neunten Stunde kam eine Finsternis übers Land und ein Erdbeben. Der Vorhang im Tempel zerriss von oben an bis unten aus.

Einige letzte Worte Jesu sind überliefert - das wichtigste ist wohl: "Es ist vollbracht".
Das sollte man sich anhören in YouTube, gesungen von einer Knabenstimme. ("Es ist vollbracht" auf YouTube bran4805)

Dr. Hans Frisch